Im Interview erklärt Kapitalmarktexperte Michael Herzum von Union Investment, warum es traditionelle Sparer auch dieses Jahr schwer haben werden – und wo er 2020 Renditechancen sieht.
Die Deutschen legen ihr Geld oft noch lieber aufs Sparbuch als in Aktien an. Können Sparer 2020 wieder mit Zinsen rechnen?
Leider nein. Das Niedrig- bzw. Negativzinsumfeld bleibt uns noch eine ganze Weile erhalten. Wer sein Erspartes in klassischen Zinsanlagen belässt, verliert wegen der Inflation Geld. Auch wenn das Umfeld für den Kapitalmarkt unruhiger geworden ist: Wertpapiere neben der Zinsanlage bieten immer noch Renditechancen.
Die Kapitalmärkte bleiben also für den Vermögensaufbau alternativlos?
Aktien und Anleihen bleiben neben Immobilien unverzichtbare Anlagebausteine. Sparer bekommen bei der Bank quasi kein Geld mehr für ihre Anlage. Wir rechnen nicht damit, dass sich das schnell ändert. Schließlich haben die Europäische Zentralbank und ihr US-Pendant, die Federal Reserve, mit ihren jüngsten Entscheidungen das Negativzinsumfeld zementiert. Darum brauchen wir alle mehr denn je andere Anlageformen, um weiterhin Renditechancen zu nutzen.Genau das bieten Kapitalmärkte – entweder als Direktanlage oder über Investmentfonds.
Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie 2020?
Wir erwarten ein moderates weltweites Wirtschaftswachstum. In den USA sollte die Wirtschaft um 1,6 Prozent zulegen, im Euroraum um 0,8 Prozent. Deutschland bleibt mit 0,6 Prozent das Schlusslicht – nach 0,5 Prozent im vergangenen Jahr.
Warum kommt die Konjunktur in Deutschland und Europa nicht auf die Beine?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen belasten Brexit und der Handelskonflikt zwischen den USA und China Deutschland als Exportnation besonders stark. Zwar fällt mit dem Wahlsieg des britischen Premierministers Boris Johnson ein „harter“ Brexit als Randrisiko weg. Doch mit einem geregelten Austritt Ende Januar fängt die Arbeit erst an, es müssen Handelsabkommen abgeschlossen werden; ein Prozess voller ungeklärter Details, der mit neuen Unsicherheiten behaftet sein dürfte. Und auch wenn der im Dezember ausgehandelte „Phase-1“-Deal zwischen China und den USA für etwas Entspannung gesorgt hat: Diese Einigung sollte nicht überbewertet werden. Zur Einordnung: Die vom US-Präsidenten im Zuge des Deals zurückgenommenen Zölle belaufen sich auf lediglich rund 8 Prozent des seit 2017 erlassenen Volumens. Perspektivisch dürfte die Annäherung zwar die Unsicherheit etwas verringern und eine Belebung der Konjunktur im Jahresverlauf unterstützen. Doch die Vereinbarungen reichen nicht aus, um eine Auflösung der durch den Handelskonflikt ausgelösten realwirtschaftlichen Verspannungen einzuleiten. Ein weiterer Aspekt auf europäischer Ebene ist die Geldpolitik. Impulse durch die Notenbanken sind im Euroraum nur noch begrenzt möglich. Dagegen könnte der Staat der Konjunktur unter die Arme greifen.
Was bedeutet das für die Geldanlage?
Angesichts der skizzierten Entwicklungen ist an den Kapitalmärkten eine Fortsetzung der außergewöhnlich positiven Wertentwicklung von 2019 nicht realistisch. Auch in einem etwas schwächeren konjunkturellen Umfeld sehen wir Chancen bei Aktien, insbesondere aus den Industriestaaten. Hier wird die Auswahl der richtigen Titel besonders wichtig, weil in diesem Umfeld nicht mehr alle Unternehmen gleich stark profitieren. Im Rentensegment sind für sichere Anlagen wie Bundesanleihen weitere Kursgewinne nicht zu erwarten. Daher sollten Anleger auf Anleihen mit Risikoaufschlag wie etwa Staatspapiere aus der Peripherie oder Unternehmensanleihen von Adressen mit guter Bonität setzen.
Hinweis der Redaktion: Das Interview erschien in der sparda aktuell, Ausgabe November–Januar 2019/2020, und wurde nach Drucklegung im Dezember nochmals aktualisiert.